Das Leben ist ein Geschenk. Ja, aber für wen? Ist es ein Geschenk für Dich? Für Dich gegeben? Oder ist das eine vermessene Ansicht? Sollte Dein Leben nicht ein Geschenk für andere sein? Solltest Du Dich nicht immer wieder darum bemühen, Dein Leben zu einem Geschenk für andere werden zu lassen?
Ist die Ansicht, DEIN Leben ist ein Geschenk für DICH, nur für DICH, nicht ein Zeichen von purem Egoismus? Genauso wie die Haltung, dass Du Dein Leben zu einem Geschenk für DICH machen wíllst?
Einer meiner Leser vertritt jedenfalls diese Ansicht und ist der Meinung, ich würde mit meinen Beiträgen dem rücksichtslosen Egoismus das Wort reden. Meine Antwort darauf wird Dich überraschen…
Vor einiger Zeit erhielt ich von einem Leser folgende Zuschrift:
„Hier eine Geschichte für Dich. Du tust mir Leid, dass Du auf die falsche Karten gesetzt hast und noch mehr, dass Du andere Menschen zum Egoismus führst. Mensch wird zum Mensch am DU.
„Ich habe alles: Kariere, Geld, sehe gut aus, bin gesund. Verstehst Du? Ich habe alles! Aber mein Leben hat keinen Sinn!“ – bedauert Anna. Mit ihrer Freundin sitzt sie vor dem Haus auf einer Bank und schaut auf die bunten herumliegenden Blätter unter den Bäumen, die unten den Kinderschuhen rasseln. „Alle beneiden mich“ – fährt Anna fort. „Alle würden gerne mit mir tauschen. Sie meinen, ich hätte den Schlüssel zum Glück gefunden. Aber dem ist es nicht so. Ich bin erfolgreich und habe viel erreicht, aber die echte Lebensfreude habe ich noch nicht gefunden.“ „Warte kurz“ – unterbrach sie ihre Freundin – „ich muss ihm kurz was umziehen“. Sie nahm ihren kleinen Sohn an die Hand und ging mit ihm ins Haus, denn vom Spielen in einer Wasserlache ist seine Hose total nass geworden.
Anna ist auf der Suche
Anna erstarrte – sie fühlte, als ob ihre Freude und Hoffnung mit den fallen Blättern auch schwindet. „Ich denke, Du hast Dich verlaufen auf der Suche nach dem Glück. Du siehst es nicht, weil Du es schnell finden willst.“ – erwidert sie Anna als sie zurück zu ihr auf die Bank kam. „Du sagst immer, das Leben wäre ein Geschenk. Deswegen habe ich so gelebt, als ob es ein einmaliges Geschenk wäre und wollte es ganz auskosten. Du sagst, die Träume sollen sich erfüllen. Meine haben sich erfüllt. Und was finde ich am Ende des Weges? Nichts. Noch mehr davon als vorher und auch keinen Lebenssinn… sag, was fehlt mir?“ – sagt Anna zu ihrer Freundin. „Mami, komm mal, ich will dir was zeigen!“ – rief das kleine Mädchen zu ihrer Freundin und zog dabei schon an ihrer Hand. „Ich komme“ – sie stand auf und sagte: „Anna, nur Du kannst Dir die Frage beantworten, wonach Du Dich sehnst. Ich komme gleich, ich schaue nur kurz nach, was sie mir da zeigen wollen“ – unterbrach sie und lief ihrer Tochter hinterher.
Das Leben ist ein Geschenk
Anna sah in das fröhliche Gesicht ihrer Freundin, als sie ihre Kinder umarmte. Im Gras haben die Kinder einen Igel entdeckt und freuten sich darüber. Nach einer Weile legte sich ihre Freundin auf die bunten Blätter im Garten und erlaubte ihren Kindern, dass sie auf ihr herumtobten, Dabei verhielt sie sich so, als ob sie jetzt in ihrer Gewalt wäre und nicht wegrennen könnte. Die Augen ihrer Freundin strahlten. Sie dachte über ihre Freundin nach. Anna konnte eigentlich richtig Karriere machen und viel erreichen. Sie war die beste Studentin in ihrem Jahrgang. Mit viel Engagement ist sie an ihre Aufgaben rangegangen. Und was ist passiert? Sie lehnte attraktive Job-Angebote ab. Andere hätten alles dafür gegeben, solche Jobchancen zu bekommen. Aber sie heiratete und wurde bald Mutter. Sie wohnt in einer ruhigen??? Gegend und statt sich ihre Träume zu erfüllen, schaut sie einem Igel zu und spielt mit ihren Kindern… „Und wieso bist du glücklich und ich nicht? – murmelte Anna leise und schaute dabei mit sehnsuchtsvollen Augen der Szene im Garten zu. „Das Leben ist ein Geschenk, das Leben ist ein Geschenk“… wiederholte Anna die Worte ihrer Freundin in Gedanken… „Wie soll ich das aber verstehen?“
„Ein Geschenk!“ – schrie Anna heraus. „Was ist los?“ – fragte ihre Freundin und setzte sich wieder zu ihr auf die Bank. „Das Leben ist ein Geschenk!“ – hat Anna geantwortet. „Wie dumm war ich denn. Klar! Ein Geschenk! Von uns an die Welt um uns herum.“ – „Ja! Das wollte ich Dir schon immer damit sagen!“ – lächelte ihre Freundin. „Ich suchte mein Glück und dachte dabei an meine Träume, machte meine Pläne, dachte nur an mein Leben. Aber das Leben gibt einem nur dann Sinn, wenn wir unser Leben an Andere verschenken… und zwar ohne irgendwelche Absichten.“
Ich habe lange gedacht, das ist eine Spamm-Mail oder jemand, der mich einfach nur ärgern oder provozieren möchte. Nachdem ich die Mail jedoch mehrfach gelesen habe, wurde mir klar, dass es hier um ein grundsätzliches Problem geht, dass ich gerne in einem eigenen Beitrag vertiefen und näher beleuchten möchte. Deshalb bin ich diesem Leser nachträglich sehr dankbar für seinen Anstoß.
Verschenke Dein Leben und Du bist glücklich
So oder so ähnlich könnte man das Fazit dieses Textes bzw. der Geschichte ziehen. Das Leben, DEIN Leben, ist ein Geschenk an die Welt um dich herum. Und wenn Du das verstanden und umgesetzt hast, bist Du glücklich.
In der Geschichte werden uns zwei Frauen vorgestellt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine, Anna, verfolgt ihre eigenen Ziele und versucht, das Geschenk LEBEN an sie vollkommen auszukosten. Sie geniesst jeden Moment und versucht, jede Sekunde des Lebens voll auszuschöpfen. Und trotzdem ist sie nicht glücklich… „Mir fehlt der Sinn“, sagt sie.
Die andere Frau, Annas Freundin, lebt ein ganz anderes Leben. Sie hat sich auf das Land zurück gezogen und kümmert sich (scheibar nur…) um ihre Familie und ihre Kinder. Man könnte daraus ableiten, sie kostet ihr Leben nicht aus, weil sie durch die Familie gebunden ist und (vordergründig) auf einiges verzichten muss.
Gegensätze
Hier werden also Pole aufgemacht bzw. Polaritäten geschaffen.
Auf der einen Seite haben wir das Kreisen um sich selbst, den Egoismus, den eigenen Spass, Vergnügen, Vorteile in den Mittelpunkt stellen, nur an sich denken… verknüpft mit Unglück und Sinn-Losigkeit.
Auf der anderen Seite steht das Aufopfern für andere, die Selbstlosigkeit, der Verzicht, die Für-Sorge um andere… verknüpft mit Erfüllung, glücklich sein und Sinnhaftigkeit.
Kurz: Verschenke Dein Leben an andere und Du wirst Sinn, Erfüllung und Glück finden. So könnte die Arbeitsanweisung aus dieser Geschichte lauten.
Selbstlosigkeit führt zu Glück, das Kümmern um die eigenen Bedürfnisse und Ziele zu Unglück.
Ist es so einfach?
Denken wir zum Spass die Geschichte von Anna mal weiter… Sie hat also nun erkannt, das sie nur dann Sinn im Leben findet, wenn sie ihr Leben an andere verschenkt. Anna schlägt also den Weg ihrer Freundin ein. Sie sucht sich einen Mann, ein schönes Haus auf dem Land, bekommt eines oder mehrere Kinder und ist ab sofort… glücklich?!
Das glaube ich nicht.
Ich glaube das deshalb nicht, weil es so unendlich viele Gegenbeispiele gibt. Ich kenne so viele Menschen, die diesem Ideal, sein Leben zu verschenken und „selbstlos“ zu leben, gefolgt sind und dabei kreuz unglücklich geworden sind. Da kann man ihnen noch so sehr sagen, dass ihr Leben doch schliesslich einen Sinn hat… Und ich kann hier auch nicht das Argument gelten lassen, diese Menschen würden sich „noch nicht genug“ aufopfern und „hingeben“.
Aber warum stimmt diese Logik von der Selbstlosigkeit und Glück denn nicht?
Vom „Entweder-oder“ zu „Sowohl-als auch“
Ich glaube, der Denkfehler liegt darin anzunehmen, dass sich beide Pole (Selbstlosigkeit und Egoismus) gegenseitig ausschließen und behindern. Entweder Glück und selbstlos, oder egoistisch und unglücklich. Der Blick auf die Trennung verstellt wie so oft den Blick darauf, dass beide Pole untrennbar miteinander verbunden sind und BEIDE gelebt werden wollen. Das Unglück ergibt sich durch den Ausschluss des „sowohl als auch“.
Bleiben wir in der Geschichte von Anna. Warum wird sie nicht glücklich, wenn sie den Weg ihrer Freundin geht und auch auf´s Land zieht und eine Familie gründet?
Die Antwort ergibt sich schon durch die Formulierung: Weil es NICHT Annas Weg ist. Es ist der Weg ihrer Freundin.
Das Leben ist ein Geschenk…
Wir Menschen sind soziale Wesen. Ohne den Kontakt zu anderen gehen wir im wahrsten Sinne des Wortes ein. Insofern gibt es Grenzen des „um sich Kreisens“. Irgendwann verlassen wir unsere Höhle der Selbstfindung und wollen das, was wir da gefunden haben, mit anderen teilen. Die Hirn- und Glücksforschung kennt das Phänomen schon lange. Wirkliche Erfüllung und wirklicher Sinn entstehen erst dort, wo wir mit unseren Handlungen Sinn für andere stiften und das Leben anderer bereichern. Wodurch auch immer.
Das ist der Teil der Wahrheit an dem „Gesetz“, dass DEIN Leben ein Geschenk für andere ist. Wirkliche Erfüllung und Sinn findest Du erst dann, wenn Du es in den Dienst anderer stellst.
Klingt das für Dich pathetisch und eher ängstigend? Klingt das für Dich nach Verzicht und Unfreiheit? Fühlt sich das einengend und einschränkend für Dich an?
Dann hast Du den vorher unbedingt notwendigen ersten Schritt (noch) nicht gemacht oder realisiert.
Die Freiheit des „wie“
Es gibt unendlich viele Arten, wie DU mit DEINEM Leben andere Menschen bereichern kannst. Und so, wie daraus die Erfüllung und Glück für Dich entstehen können, können daraus genauso Unglück und das Gefühl von Unfreiheit und Eingesperrtsein für Dich entstehen.
Glücklich wirst Du damit nur, wenn Du den ersten Schritt zuerst machst:
Finde heraus, was Deine größte Stärke, Deine größte Freude ist.
Denn genau DAS ist DEIN Geschenk an die anderen. Solange Du DAS für Dich nicht erkannt hast, wirst Du bei dem Versuch, Dein Leben zu verschenken und dadurch glücklich zu werden, nicht zum Ziel kommen. Es wird sich immer „falsch“ anfühlen. Und je mehr „Gewalt“ Du Dir dabei antust, um so mehr wird das, was Du „zwingen“ willst, an anderer Stelle unkontrolliert an die Oberfläche drängen. Denn dadurch, dass Du es nicht sichtbar werden lässt, ist es nicht „weg“.
Vom Wert des Egoismus
Wenn Du also nicht genug auf Dich achtest, um erstmal zu ermitteln, welches Geschenk Du für andere sein kannst, wirst Du auf Dauer auch kein Geschenk für andere sein.
Wer ist egoistisch oder selbstlos? Die Frau, die wie Annas Freundin auf dem Land als Mutter ihre Familie versorgt und die Kinder erzieht, oder die Frau, die als Ärztin im Auftrag einer Hilfsorganisation in alle Krisengebiete dieser Welt reist und dort schwer verletzte Kinder medizinisch versorgt. Und dabei erkannt hat, dass sie mit diesem Lebenswandel keine „gute“ Mutter sein kann, also auf Kinder bewusst verzichtet?
Beide Frauen verschenken ihr Leben, und beide Frauen können dabei glücklich oder unglücklich sein. Entscheidend dabei ist, ob sie heraus gefunden haben, das die jeweilige Art, IHR Leben zu verschenken, genau IHREN Zielen und Freuden entspricht. Und das wirst Du nicht heraus bekommen, wenn Du zuerst selbstlos bist. Das wirst Du nur erkennen, wenn Du sehr selbst-„bewusst“ und auf eine gesunde Weise egoistisch bist.
Packe Dein Geschenk aus!
Es gilt also zuerst, dass Du das Geschenk, das DU bekommen hast, DEIN Leben, für DICH entdeckst, bevor Du es selbstlos an andere verschenkst bzw. weiter gibst. Zwei Seiten EINER Medaille, die unbedingt zusammen gehören.
Veit Lindau sagt dazu so treffend: „Viele Menschen in Deinem Umfeld warten darauf, dass Du Dich ihnen in Deiner wahrsten, klarsten, kräftigsten und reinsten Form zeigst.“
Das bist Du uns sozusagen schuldig, deshalb hast Du „das Geschenk“ Deines Lebens bekommen. Aber dazu musst Du diese Form von Dir erstmal finden und zum Erblühen bringen.
Ich würde mich freuen, wenn Du mir und uns diese Form dann auch zeigst :-)
Was hast Du zu geben?
Kennst Du Deine Stärken, Deine Fähigkeiten und Freuden? Weisst Du, was Du mir und der Welt zu verschenken hast? Dann schreib es mir doch in die Kommentare, damit wir alle es wissen :-)